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Bundesministerin Annalena Baerbock (Stake-out Egypt)
Guten Tag.
Ich komme gerade aus Israel und habe dort nicht nur die Orte des Grauens gesehen, sondern mit Menschen gesprochen, die selber Unvorstellbares durchgemacht haben. Sie haben zugleich die schlimmsten Tage ihres Lebens, weil sie nicht wissen, wo ihre Liebsten, wo ihre Ehefrauen, wo ihre Kinder sind.
Israel hat das Recht, sich im Rahmen des Völkerrechts gegen diesen grauenvollen Terror der Hamas zu wehren und es hat die Pflicht, seine Bevölkerung zu schützen. Das kann man in diesen Tagen gar nicht oft genug und gar nicht deutlich genug sagen.
Während ich gestern in Israel war, wir eigentlich schon auf dem Weg zum Flughafen waren, haben wir uns entschieden, dass wir kurzfristig nach Kairo fliegen. Während meines Aufenthaltes in Israel war auch deutlich geworden ist, dass es eine Aufforderung gibt, das nördliche Gaza Gebiet zu räumen. Und deswegen sind wir kurzentschlossen hier nach Kairo geflogen.
Ich habe heute Morgen hier in Kairo zunächst Gespräche mit meinem türkischen Außenministerkollegen, der ebenfalls vor Ort ist, geführt. Dann habe ich mit meinem ägyptischen Außenministerkollegen gesprochen sowie mit der Arabischen Liga, mit dem Generalsekretär der Arabischen Liga.
Dabei standen neben der Situation hier in der Region, neben der Sicherheitslage in Israel, neben der Gefahr einer weiteren regionalen Eskalation vor allen Dingen drei sehr konkrete Themen im Mittelpunkt. Zum ersten die Freilassung der von der Hamas nach Gaza verschleppten Deutschen. Zum Zweiten die Ausreise von Deutschen aus Gaza. Und zum Dritten die humanitäre Situation aktuell in Gaza.
Die Situation der von der Hamas verschleppten Deutschen war gerade für mich als deutsche Außenministerin ein wesentliches Thema in diesen Tagen, weil es sich um deutsche Staatsangehörige handelt. Uns sind acht Fälle bekannt mit Bezug zu deutschen Staatsangehörigen. Darüber habe ich gestern intensiv mit den Angehörigen gesprochen. Unsere Botschaft vor Ort steht im ständigen Kontakt mit den Angehörigen. Und auch unser Krisenzentrum in Berlin.
Angesichts der so furchtbaren Situation für die Familienangehörigen und noch mehr der Verschleppten, insbesondere Frauen und Kinder, stand dies auch im Mittelpunkt meiner Gespräche hier vor Ort. Weil wir alles dafür tun, alle Gesprächskanäle zu nutzen, um Informationen zu bekommen, in wessen Händen die Geiseln sind. Und um alles dafür zu tun, dass diese unschuldigen Menschen freigelassen werden.
Hamas muss Frauen, Kinder, Männer, alte Menschen, die in ihren Händen sind, unverzüglich freilassen. Es handelt sich hier um unschuldige Menschen, um unschuldige Kinder. Ihre Freilassung ist ein Gebot der Menschlichkeit. Hierin war ich mir mit allen Gesprächspartnern einig - hier vor Ort und in der ganzen Region. Wir werden gemeinsam alle Anstrengungen dafür unternehmen, die deutschen Geiseln sowie die Geiseln anderer Nationalität freizubekommen.
Das zweite akute zentrale Gesprächsthema ist die humanitäre Ausreise aus Gaza. Denn auch in Gaza gibt es einige deutsche Staatsbürger. Die allermeisten sind Doppelstaater. Und auch um deren Sicherheit kümmert sich die deutsche Bundesregierung. Deswegen bin ich unter anderem auch hier in Kairo. Wir arbeiten mit Ägypten und Israel intensiv daran, Lösungen für die baldige Ausreise dieser deutschen Bürgerinnen und Bürger über den Rafah Grenzübergang nach Ägypten zu finden.
Dieser Grenzübergang zwischen Gaza und Ägypten ist auch zentral dafür, dass humanitäre Güter nach Gaza hineinkommen können. Das ist das dritte große Thema, dem ich mich hier in Kairo gewidmet habe, das insbesondere unsere arabischen Partner zentral bewegt.
Gaza ist mit Blick auf die 2,1 Millionen Menschen, die dort auf engstem Raum leben, die Hälfte davon Kinder, gerade jetzt einer schwierigen humanitären Situation ausgesetzt. Von den 2,1 Millionen Menschen in Gaza, wovon die Hälfte ungefähr Kinder sind, sind zahlreiche auf internationale humanitäre Hilfe angewiesen.
Die Lage hat sich in den letzten Tagen weiter verschärft. Den Menschen in Gaza fehlt es gerade an allem. Die Wasservorräte gehen zu Ende, Nahrungsmittel werden knapp, die Stromversorgung ist unterbrochen. Auch deshalb bin ich gerade nonstop mit den Vereinten Nationen und unseren anderen Partnern darüber im Gespräch, wie wir jetzt humanitäre Güter nach Gaza hinein bekommen können.
Fakt ist: Für die jetzige verzweifelte Lage der Menschen in Gaza ist die Hamas mit ihrem Terrorangriff auf Israel verantwortlich.
Die Hamas versteckt sich hinter der zivilen Bevölkerung in Gaza. Die Hamas missbraucht die Menschen in Gaza als Schutzschild.
Die Tunnel, die Waffenlager und die Kommandozentralen der Hamas befinden sich ganz bewusst in Wohnhäusern, in oder unter Supermärkten oder Universitäten.
Alle, die den Terror bekämpfen, wollen und müssen, stehen vor unglaublichen Herausforderungen. Und das sage ich unter der Prämisse, dass Israels Sicherheit deutsche Staatsräson ist.
Wir müssen dabei verstehen, dass wir zwei Gedanken gleichzeitig im Kopf haben. Einerseits: Der Terror ist das Grundübel. Er muss bekämpft werden, sonst wird es keinen Frieden und keine Sicherheit geben.
Andererseits: Neues, großes Leid unter der Zivilbevölkerung in Gaza wird nicht nur den Nährboden für neuen Terrorismus schaffen, sondern auch jegliche bisher erreichte Annäherungsschritte mit den arabischen Nachbarn der letzten Monate in Gefahr bringen. Genau das ist das Kalkül der Terroristen. Und dieses terroristische Kalkül darf nicht aufgehen.
Daher muss der Kampf gegen Hamas mit größtmöglicher Rücksicht auf die humanitäre Situation, auf unschuldige Frauen, Kinder, Männer geführt werden. Das ist ein gewaltiges Dilemma, das nur schwer aufzulösen ist. Dem müssen wir uns aber stellen. Deswegen war ich gestern in Israel.
Deswegen habe ich auch all die ganz persönlichen Gespräche in Israel geführt. Und deswegen bin ich heute hier in Kairo. Und deswegen sind so viele meiner Außenministerkolleginnen und -kollegen in diesen Tagen genau wie ich in der ganzen Region unterwegs, nonstop in Gesprächen.
Die Aufnahmekapazitäten im Süden des Gazastreifens sind völlig überlastet. Die UN haben daher die Anordnung der israelischen Armee, den nördlichen Gazastreifen zu verlassen, als nicht realistisch bezeichnet. Meine Gesprächspartner hier gehen noch viel weiter in ihrer Kritik und Sorge.
Deswegen arbeiten wir gemeinsam mit den Vereinten Nationen, den USA und anderen Partnern an Schutzorten in Gaza, in denen ZivilistInnen und Zivilisten, vor allen Dingen Familien und Kinder, vor dem Kampfgeschehen geschützt sind und mit dem Notwendigsten versorgt werden können.
In diesem Sinne appelliere ich an alle, ob bei uns oder in der arabischen Welt, zwischen Terroristen und der Zivilbevölkerung zu unterscheiden.
Der Kampf richtet sich gegen Hamas und nicht gegen die Palästinenser.